
Mythos Indianer
Trotz jahrelanger Aufklärung hält sich sowohl in Medien,
als auch in den Köpfen vieler Menschen hierzulande,
das Bild von den Indianern als ein Volk
mit einer gemeinsamen Sprache,
einer gemeinsamen Religion und Kultur.
Wer kennt sie nicht,
die Schlagzeilen in der Presse,
wenn Vertreter unterschiedlicher indigener Völker
Europa besuchen und sich um Unterstützung
für ihren Widerstand gegen wirtschaftliche Interessen
amerikanischer Konzerne bemühen.
"Indianer auf dem Kriegspfad" oder
"Ein Indianerhäuptling sieht rot" oder
"Die Sioux graben das Kriegsbeil aus" heißt es dann oft.
Ist der Anlass des Besuches jedoch spiritueller Natur,
dann betet plötzlich ein Lakota zum "großen Manitu",
der sowohl von den Medien als auch vom Großteil
der deutschen Bevölkerung als Gott aller Indianer gesehen wird.
Mit solchen verallgemeinernden, bzw.
im ersten Falle diskriminierenden Äußerungen werden
die rechtmäßigen politischen Anliegen indianischer
Gemeinschaften untergraben und als kindisch abgetan,
was letztendlich dazu führt,
dass Indianer weniger Unterstützung erhalten,
weil man sie ja eh nur als verstaubte
romantische Relikte aus Kindheitstagen betrachtet.
Nicht umsonst wird Menschen,
die sich auch im Erwachsenenalter noch
(auf welche Weise auch immer)
mit dem Thema Indianer befassen nachgesagt,
dass sie realitätsfremde Traumtänzer seien,
die Probleme hätten sich in der Gesellschaft zurechtzufinden.
Versucht man Medienvertreter über den Sachverhalt aufzuklären,
so bekommt man zur Antwort,
dass die breite Masse es eben so wolle,
und eine Aufklärung nicht nötig sei.
Ein Journalist, den ich einmal darauf hinwies,
dass die Lakota zu Wakan Tanka,
die Apachen zu Usen
und die Cheyenne zu Maheo beten würden,
und dass aus der Algonkin-Sprachfamilie stammende Wort
"Squaw" für Indianerfrau von "den Indianern"
als Schimpfwort empfunden wird, meinte:
"Ja, das kann schon sein,
aber die Leser haben jahrelang gehört,
dass die Indianer zum großen Manitu beten,
die Friedenspfeife rauchen,
auf den Kriegspfad gehen
und dass die Indianerfrauen "Squaws" genannt werden.
Sie haben sich daran gewöhnt,
und den Leuten mangelt es an Intelligenz zu begreifen,
dass es anders ist."
Ich war sprachlos. Was bildete sich dieser Journalist
(diese Meinung ist unter Medienvertretern
übrigens keine einmalige Erscheinung) eigentlich ein?
Er gab offen zu, dass er seine Leser für dumm hielt.
Auf die Idee, dass er seine Leser mit seiner Art
der Berichterstattung (Bestätigung von Klischees statt Aufklärung)
absichtlich für dumm verkaufte, kam er nicht.
Wahrscheinlich haben die meisten Journalisten
und Medienvertreter kaum Lust und Zeit für vernünftige Recherche.
Was kann man nun als Einzelner,
dem die Belange indianischer Menschen wirklich am Herzen liegen,
gegen die Verbreitung solcher, zum Teil wirklich rassistischer Klischees tun?
Zunächst einmal kann nicht oft genug wiederholt werden,
dass es "die Indianer" als politische,
kulturelle, sprachliche oder religiöse Volkseinheit gar nicht gibt,
und auch nie gegeben hat. Allein auf dem Gebiet der heutigen USA
leben um die 200 verschiedene indianische Stämme.
Den Begriff Indianer kann man mit der Bezeichnung Europäer gleichsetzen.
Wenn z.B. jemand einen Österreicher fragt,
zu welchem Volk er gehöre, so wird dieser mit 99%-tiger Wahrscheinlichkeit
seine Nationalität und nicht seine Rasse nennen.
Genauso verhält es sich bei "den Indianern".
Sie werden nicht sagen, "ich bin Indianer",
sondern "ich bin Lakota", "Comanche", "Kiowa", "Apache" etc.
Dieses Wissen gehört zur Allgemeinbildung,
sollte man meinen, trotzdem höre ich in Kreisen der Indianerfreunde
ständig solche Floskeln wie: "was heißt Pferd auf indianisch"
daherreden. Auch ist ständig von "indianischer Religion",
bzw. "indianischer Kultur" die Rede.
Diese Unwissenheit wird von der Presse gefördert,
die den Leser absichtlich Informationen vorenthält,
weil sie ihn für zu dumm hält, die wahren Zusammenhänge zu verstehen.
Damit muss endlich Schluss sein!!!
Beginnen Sie in ihrem Bekanntenkreis mit der Aufklärung.
Wann immer Sie mit Stereotypen wie "Indianer auf dem Kriegspfad",
"Manitu ist der Gott der Indianer" oder Worten wie "Squaw" etc.
konfrontiert werden, dann klären Sie ihre Gesprächspartner auf.
Schreiben Sie Protestbriefe an Zeitungen,
wenn Sie solche Schlagzeilen lesen.
Zeigen Sie, dass Sie sich von den Medien nicht
für dumm verkaufen lassen. Politische Aktionen oder Demonstrationen
gegen Zerstörung heiliger Plätze, wie sie derzeitig oft auf
(ehemaligem) Indianerland geschehen,
haben nichts mit "Kriegspfad" zu tun.
Wer solche Worte benutzt, gibt damit ein Urteil ab,
dass er "indianische Belange" nicht ernst nimmt
und als Kinderspiel abtut.
Von Martin Krüger
(Autor, Sprachwissenschaftler und
einer der bedeutensten deutschen Kämpfer
für die Rechte der indigenen Völker Nordamerikas)